Container und Modulbauten
Stuttgart beschließt Bau von weiteren Unterkünften für Geflüchtete
SWR, 27. Juli 2023. Philipp Pfäfflin und Kerstin Rudat
Der Stuttgarter Gemeinderat hat beschlossen, weitere Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen. Vorausgegangen war ein Streit, weil die CDU den Neubau nicht mittragen wollte. Die Stadt Stuttgart will bis Mitte 2024 insgesamt 876 weitere Plätze zur Unterbringung von Geflüchteten schaffen. Den Plänen der Stadtverwaltung stimmte der Gemeinderat am Mittwochabend mehrheitlich zu. Die Standorte wurden einzeln abgestimmt. Die voraussichtlichen Kosten für den Bau gibt die Stadt mit 47 Millionen Euro an.
Zwei Standorte werden vergrößert, vier neue geschaffen
In Stuttgart-Hedelfingen soll der Standort in der Amstetter Straße auf insgesamt 124 Plätze erweitert werden, in Plieningen die Modulbauten "In den Entenäckern" auf insgesamt 156 Plätze vergrößert werden. Diesen Erweiterungen stimmte die CDU zu. Am Schwanenplatz in Stuttgart-Ost sollen 108 neue Plätze entstehen, in der Parlerstraße in Stuttgart-Nord 184 Plätze geschaffen werden. Diese Neubauten lehnte die CDU ab, genauso wie die Pläne, dass in der Wolframstraße in Stuttgart-Nord bis zu 162 Plätze und in der Leobener Straße in Feuerbach bis zu 142 errichtet werden sollen. Die Entscheidung für eine ursprünglich in Neuwirtshaus geplante Unterkunft wurde verschoben. Hier sollen erst noch offene Fragen und Kritikpunkte aus der Bürgerschaft geklärt werden, teilte die Stadtverwaltung mit.
Oberbürgermeister Nopper stimmte für den Bau der Unterkünfte
Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sagte während der Gemeinderatssitzung: "Wir sehen keine rechtliche Möglichkeit, dass die Landeshauptstadt die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert. Deswegen wäre die Alternative zur Ausweisung weiterer Standorte für die Aufstellung von Containern oder Modulbauten die Belegung von Turn- und Versammlungshallen oder von anderen öffentlichen Einrichtungen." Davon riet der Oberbürgermeister ab.
CDU hatte sich gegen weitere Unterbringung von Geflüchteten ausgesprochen
Die Stuttgarter CDU hatte sich zuvor dagegen ausgesprochen, mehr Plätze für die Unterbringung von Geflüchteten zu schaffen. Die Ressourcen für den Integrationsaufwand für bereits hier lebende Geflüchtete seien erschöpft, hatte Fraktionschef Alexander Kotz erklärt. Es sei verstärkt zu beobachten, dass deren Betreuung auch zulasten der Bildung von Stuttgarter Kindern gehe. Hinzu kämen die Engpässe bei Kitas, Schulen und im Gesundheitswesen. Außerdem sagte Kotz, der Bund lasse die Kommunen trotz lauter Hilferufe im Stich.
Hintergrund: Geflüchtete in Stuttgart
Nach Angaben der Stadt Stuttgart hat sich die Zahl der in Stuttgart lebenden Geflüchteten in den vergangenen anderthalb Jahren mehr als verdoppelt. Demnach wohnten aktuell rund 8.800 Menschen in städtischen Unterkünften, Ende Januar 2022 seien es noch 4.277 gewesen. Tausende Menschen kamen aus der Ukraine. Sie machen aktuell 40 Prozent aus, aus Syrien stammen 13 Prozent, aus Afghanistan neun Prozent und aus dem Irak sieben Prozent. - Insgesamt sind in Unterkünften für Geflüchtete 60 Nationalitäten vertreten. In Regelunterkünften leben rund 7.000 Menschen, in Notunterkünften fast 2.000. Es gibt in Stuttgart verteilt über alle Bezirke 188 Unterkünfte. An 24 Standorten finden sich Systembauten, an 14 Standorten Wohnheime und an 149 Standorte wohnungsähnliche Unterkünfte. Auf der Waldau ist ein Standort mit Containern.
Bündnis für "angemessene" Unterbringung von Geflüchteten
Unter dem Motto "Stuttgart bleibt solidarisch" hatte hingegen der Kreisverband der Grünen zusammen mit mehr als 30 Organisationen, Parteien und Verbänden am 21. Juli zu einer Kundgebung auf dem Marktplatz aufgerufen. Das Bündnis findet die Haltung der CDU unverantwortlich. Bislang habe eine breite Mehrheit im Gemeinderat dafür gestanden, Geflüchtete angemessen unterzubringen und zu betreuen. Der Caritasverband Stuttgart, auch Mitglied im Bündnis, verurteilte die ablehnende Haltung der CDU scharf. Populismus und Neiddebatten würden so erst recht geschürt.
Flüchtlinge in Stuttgart-Feuerbach: Neue Unterkünfte abgesegnet
Stuttgarter Nachrichten vom 19. Juli 2023 - Torsten Ströbele
40 Prozent der Geflüchteten in Stuttgart kommen aus der Ukraine. Rund 60 Prozent der Hilfesuchenden sind Familien. Foto: IMAGO/IlluPics/IMAGO
Der Bezirksbeirat hat sich am Dienstagabend mehrheitlich dafür ausgesprochen, auf dem Bosch-Parkplatz Im Gaizen neue Unterkünfte für Geflüchtete bauen zu lassen.
Die Mitglieder des Bezirksbeirats in Feuerbach haben am Dienstag bei drei Gegenstimmen (zweimal CDU, einmal AfD) und vier Enthaltungen für den Bau einer Flüchtlingsunterkunft auf einem Parkplatz der Firma Bosch an der Ecke Leobener Straße/Im Gaizen votiert. Das Unternehmen hatte die Fläche der Stadt angeboten und möchte laut Verwaltung einen sechsstelligen Euro-Betrag investieren. Die Landeshauptstadt Stuttgart bezahlt dann nur noch rund 1,1 Millionen Euro für die Anmietung, Erschließung und den Rückbau der Container. Hinzu kommen 140 .000 Euro für die Ausstattung.
Stuttgarter Zeitung vom 18. Juli 2022 - Inge Jacobs
Stuttgarter Zeitung vom 18. Juli 2022 - Inge Jacobs
Saeid Alizadeh bei der Gesellenprüfung zum Fahrzeuglackierer Foto: Schule für Farbe und Gestaltung/F. Winkler
STUGGI.TV vom 14. Juli 2023 – Sebastian Braun
Die Stadtverwaltung hat in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass sie kurzfristig plant, an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet neue zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte für über 1.100 Flüchtlinge zu errichten. Die CDU spricht sich dagegen aus.
Das Herz ist weit, doch die Möglichkeiten sind endlich
Monat für Monat steigt die Zahl der Asylsuchenden und Flüchtlinge – auch in Stuttgart. Viele Geflüchtete sind nach wie vor in Notunterkünften untergebracht. Um das zu ändern, möchte die Stadt an verschiedenen Standorten zusätzliche Unterkünfte errichten. Weitere Unterkünfte in Systembauten und Containern in den Stadtbezirken Nord, Ost, Zuffenhausen und Feuerbach sollen entstehen. Die CDU Stuttgart hat sich nun gegen die Erweiterung der Kapazitäten an diesen Standorten ausgesprochen. Zwar will man auch vonseiten der Stuttgarter CDU Geflüchteten den entsprechenden Schutz bereitstellen, jedoch sei man in Stuttgart „an einem Punkt angelangt, an dem wir feststellen müssen, dass wir die Belastungsgrenze hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten und der sozialen Infrastruktur in unserer Stadt erreicht haben“, sagt Alexander Kotz, Fraktionsvorsitzender der CDU-Gemeinderatsfraktion, „so wie es im Jahr 2015 dem Bundespräsidenten Joachim Gauck schwergefallen ist, anerkennen zu müssen, dass trotz weitem Herz der Deutschen die Aufnahmekapazität in Deutschland reale Grenzen hat, so geht uns heute auch in Stuttgart.“
Die SPD hingegen unterstützt den Vorschlag der Stadtverwaltung. „Für die Integration ist es wesentlich, die Menschen besser unterzubringen als in den Notunterkünften wie der Schleyerhalle,“ sagt Jasmin Meergans, Fraktionsvorsitzende der SPD im Stuttgarter Gemeinderat. „Die Realität ist, dass diese Menschen heute schon bei uns in Stuttgart sind und da finde ich es sehr bedauerlich, dass die CDU sich an dieser Stelle von einer Lösung dieser Frage verabschieden.“ Aus Sicht der SPD-Chefin ist das vordringliche Ziel, die Geflüchteten aus den Notunterkünften in regulären Unterkünften unterzubringen. „In der Konsequenz bedeutet die Haltung der CDU, dass es ihnen egal ist, wie Geflüchtete in Stuttgart untergebracht sind, weil sie nicht bereit sind dafür eine Lösung zu finden,“ sagt Meergans.
Stuttgarter CDU kritisiert die Bundesregierung
Trotz vieler Hilferufe aus den Kommunen habe man es auf Bundesebene noch nicht geschafft, eine zufriedenstellende Lösung in der Migrationsfrage zu finden, heißt es in einer Pressemitteilung der Stuttgarter CDU. „Die Kommunen, die die vielfältigen Herausforderungen der Unterbringung und Integration vor Ort lösen müssen, werden vom Bund bei immer mehr zu versorgenden Flüchtlingen im Stich gelassen“, betont Kotz. Laut der CDU ist man neben der Unterbringung auch im Bereich der sozialen Infrastruktur mit der Situation überfordert. „Eine Betreuung und Versorgung der zu uns Geflüchteten darf nicht zulasten z. B. der Bildung von Kindern in unserer Stadt gehen. Leider müssen wir verstärkt genau dies aber erleben“ sagt Kotz.
Mehr Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
Stuttgart baut zwei Containerdörfer für Geflüchtete
8. September 2022 - Mathias Bury
Es kommen wieder mehr Geflüchtete aus der Ukraine nach Stuttgart.
Foto: Lichtgut/Max Kovalenko
Die Stadt rechnet mit einem starken Anwachsen der Flüchtlingszahlen. Das Land weist Stuttgart wieder mehr Menschen zu, es kommen aber auch wieder vermehrt Kriegsflüchtlinge direkt hierher. Auf dem Wasen und auf der Waldau sollen deshalb Containerdörfer entstehen.
Wegen des wachsenden Zuzugs von Geflüchteten muss die Stadt weitere Plätze zur Unterbringung schaffen. Deshalb wird die Verwaltung zwei ehemalige Hotels anmieten und ein Boardinghaus, auf der Waldau und auf dem Wasen sollen Wohncontainerdörfer entstehen. Auf diese Weise will man zusätzlich rund 1800 Plätze bereitstellen. Die bereits für Geflüchtete genutzten Nebenhallen der Schleyerhalle, die nur bis im Herbst für die Unterbringung von Ukrainern vorgesehen waren und die 710 Plätze haben, werden die Funktion weiter behalten.
Flüchtlinge in Ausbildung in Stuttgart
Stuttgarter Zeitung, 22. Mai 2019 - Inge Jacobs
Diese angehenden Maler und Lackierer besuchen die Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart. Einige wünschen sich mehr Unterstützung beim Deutschlernen. Foto: ?
Bei rund 400 der 1000 neuzugewanderten Azubis in Stuttgart steht das Ausbildungsverhältnis auf der Kippe. Grund sind Sprachprobleme. Mit einem neuen Konzept und Ausbildungsmanagern will die
Landeshauptstadt die angehenden Handwerker zum erfolgreichen Abschluss führen.
Die Stuttgarter Berufsschulen hatten Alarm geschlagen: Bei 400 der 1000 neuzugewanderten Azubis sei der Ausbildungserfolg akut gefährdet. Der Grund: massive Sprachprobleme. Darauf hat Bildungsbürgermeisteri n Isabel Fezer (FDP) reagiert. Ihr Referat hat jetzt ein Modellprojekt entwickelt, das die Flüchtlingsazubis zum Ausbildungserfolg führen soll.
Das Modellprojekt ist von Juli 2019 bis August 2020 befristet und sieht ein dreistufiges Verfahren vor. Beteiligt werden sollen zunächst fünf städtische Berufsschulen. Es sind diejenigen mit den meisten Neuzugewanderten: Schule für Farbe und Gestaltung, Hoppenlau-, Kerschensteiner-, Robert-Mayer- und Steinbeisschule. Sie alle haben zwischen 70 und 200 Flüchtlinge. An diesen Berufsschulstandorten soll bei allen Azubis, die keinen Schulabschluss in Deutschland oder kein aktuelles Sprachzertifkat mit dem Mindestlevel von B2 vorweisen können, der Sprachstand erhoben werden. Dies soll an den Berufsschulen durch einen Sprachkursanbieter erfolgen. Die Tests sollen bei den Berufsschülern im ersten Ausbildungsjahr im Juli und August 2019 durchgeführt werden, bei den neuen Azubis im September und Oktober 2019.
Für Flüchtlinge in Ausbildung
ist vor allem die Fachsprache eine große Hürde
Im Anschluss an die Tests erhalten die Azubis ein Jahr lang Sprachkurse mit berufsbezogenen Inhalten – die Rede ist von 400 bis 500 Unterrichtseinheiten. Dass gerade die berufsbezogene Sprache eine große Hürde sein kann, hat auch Amadou Fadera bestätigt. Der 30-Jährige stammt aus Gambia, ist seit vier Jahren in Deutschland und lernt im zweiten Lehrjahr Maler und Lackierer – in seinem Betrieb in Göppingen und in der Schule für Farbe und Gestaltung in Stuttgart-Feuerbach. „Wenn wir in der Fachsprache Nachhilfe hätten, das wär‘ super – aber dafür bräuchten wir einen zweiten Berufsschultag“, meint der angehende Handwerker.
Genau dieses Problem findet auch in dem neuen Konzept Beachtung. Die Sprachvermittlung soll nach Fezers Vorstellungen möglichst in den Räumen der Berufsschule erfolgen. Aber, so heißt es in dem Konzept: „Für einen erfolgreichen Besuch der Kurse ist eine Freistellung über den Ausbildungsbetrieb für die jeweiligen Zeiten erforderlich.“ Die Kammern unterstützten dies und würden bei den Ausbildungsbetrieben dafür werben. Damit das Vorhaben auch organisatorisch rund läuft mit Sprachkurs, Schule, Betrieb, Jobcenter und Azubis, sollen an den ausgewählten Berufsschulen Ausbildungsmanager eingesetzt werden – insgesamt will Fezer dafür 2,5 Stellen aus dem Budget der Abteilung Bildungspartnerschaft bereitstellen – macht inklusive Sachkosten 281 000 Euro.
Die Wiederholerklassen werden dort eingerichtet,
wo die Not am größten ist
An Berufsschulen, an denen viele Azubis wegen ihrer Sprachprobleme dem Unterricht im ersten Lehrjahr kaum folgen können, soll eine separate Berufsschulklasse mit Wiederholern erprobt werden. Wegen des hohen organisatorischen Aufwands soll dies aber an höchstens zwei Standorten erfolgen. Welche das sein werden, sei aber noch offen, sagt Felix Winkler, Leiter der Schule für Farbe und Gestaltung und geschäftsführender Leiter der gewerblichen Schulen in Stuttgart. „Es wird dort sein, wo die Not am größten ist“.
Dass der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats das Konzept ohne Wenn und Aber einmütig beschlossen hat, wertet Winkler als „echten Erfolg“. Auch beeindrucke ihn, in welchem Turbotempo das Konzept erstellt wurde – „aber das ist ja auch notwendig“, sagt er. Besonders wichtig seien die Ausbildungsmanager. Das müssten Personen mit Verhandlungsgeschick sein. Denn: „Die Freistellung der Azubis vom Betrieb ist immer noch der größte Knackpunkt“, weiß Winkler – „da bedarf es viel Überzeugungsarbeit“. Einen Umfang von 400 Stunden für die berufsbezogenen Deutschkurse pro Jahr, wie sie beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beantragt werden können, hält der Schulleiter allerdings für unrealistisch – denn das wären ja zehn Stunden pro Woche. Vielleicht gelinge es ja, diese Stunden auf zwei Jahre, statt eines zu verteilen. Dann hätten die Azubis fünf Stunden Extrakurs pro Woche, insgesamt also zwei Tage Unterricht.
Schulleiter Winkler hat
via Facebook bereits drei Interessenten aufgetan
Doch nun gehe es erst einmal darum, die Stellen für die Ausbildungsmanager zu besetzen. Das ist zwar Aufgabe der Stadt, die die Stellen auch ausschreibt. Aber Winkler hat schon mal via Facebook getrommelt – und bereits drei Anfragen von Interessenten erhalten.
Männer sind besser beim Erwerb der deutschen Sprache als Frauen. Jedenfalls wenn es um in Stuttgart untergebrachte Flüchtlinge geht. Eine Aussage, die im gut besetzten Feuerbacher Bürgersaal mit Verblüffung und teils auch amüsiert aufgenommen wurde, denn gemeinhin gilt eher das Gegenteil. Hier aber wurde der Vorsprung der Männer als wissenschaftliche Erkenntnis präsentiert. Als Teilergebnis einer Masterarbeit, mit der die Soziologin und Religionswissenschaftlerin Samar Khoury Haberstroh die Situation und Perspektiven hiesiger Flüchtlinge untersucht hat: „Wie leben, fühlen und denken syrische Flüchtlinge in Stuttgart?“ Eine taufrische Studie, die nun im Rahmen einer offenen Bürgerversammlung des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF) erstmals öffentlich vorgestellt wurde.
Flüchtlinge in Stuttgart-Feuerbach
Die Arbeit geht den Freundeskreisen nicht
aus
Stuttgarter Nachrichten vom 27. November 2017 – Torsten Ströbele
Die Flüchtlingsfreunde haben über ihre vielfältigen Aufgaben und die aktuelle Situation gesprochen. Der Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach (FFF) „ist ein lebendiger Haufen, der viel unternimmt und auch ein bisschen was hinbekommt“, sagt FFF-Sprecher Wolf-Dieter Dorn. Ein bisschen? Dorn ist bescheiden. Knapp 90 Feuerbacher engagieren sich regelmäßig im FFF. Etwa 500 Menschen sind im E-Mail-Verteiler des Freundeskreises. Beispielsweise unterrichten sie Deutsch, helfen bei Hausaufgaben, begleiten zu den Ämtern oder den Ärzten. Sie zeigen den Flüchtlingen den Stadtbezirk und unternehmen etwas gemeinsam. Zudem organisieren sie seit rund eineinhalb Jahren den „Treffpunkt International“ im Jugendtreff Camp am Sportpark. Ab 18 Uhr kommen dort Ehrenamtliche, Gäste und Flüchtlinge zusammen. Es wird geredet und natürlich auch beraten – dort, wo die Hilfe des FFF notwendig ist. „Die Aufgabe der Integration geht jetzt erst richtig los“, sagt Dorn.
Nur einmal ist der „Treffpunkt International“ bislang ausgefallen – und das am vergangenen Mittwoch. Der Grund: Der FFF hat zu einer öffentlichen Veranstaltung in die Bürgeretage geladen. Rund 50 Interessierte kamen, um zu hören, was Denis Bieler vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg zu den Änderungen im Asylrecht und Bezirksvorsteherin Andrea Klöber zum Thema „Flüchtlinge in Feuerbach“ zu erzählen hatten. Bieler hat schon in den 1990er Jahren Berührungspunkte mit Feuerbach gehabt, als es an der Leitzstraße eine große Flüchtlingsunterkunft gab, in der rund 600 Menschen lebten. „Eine schreckliche Unterkunft“, sagte Bieler. Einige Jahre später habe er dann wieder von Feuerbach gehört, als Bürger ihren Unmut gegen neue Unterkünfte an der Bubenhaldenstraße kundtaten. Es sei ihm damals so vorgekommen wie bei Asterix und Obelix. Eine kleine Gruppe Ehrenamtlicher habe sich gegen den Protest gewehrt. „Es ist wichtig, dass es immer Leute gibt, die sich für Flüchtlinge einsetzen“, sagte Bieler.
So wollten das die Anwesenden in der Bürgeretage aber nicht stehen lassen. „Die Flüchtlinge haben in Feuerbach einen großen Unterstützerkreis“, betonte Roland Saur vom FFF. Das sei nicht mit einem kleinen gallischen Dorf zu vergleichen. Und Wolf-Dieter Dorn ergänzte: „Den Anwohnern der Bubenhaldenstraße ging es bei ihrem Protest damals nicht um die Flüchtlinge, sondern um die Bebauung. Es gibt mittlerweile tolle Beziehungen zwischen den Geflüchteten und ihren Nachbarn. Sogar nach der Rückkehr einiger Bewohner in ihr Heimatland bestehen immer noch Kontakte. Davor muss man den Hut ziehen.“
Bielers Ansichten und Einschätzungen wurden am Mittwochabend immer wieder kontovers diskutiert. Das Mitglied des Landesflüchtlingsrates sagte beispielsweise, dass aufgrund der neuen Gesetzeslage die Flüchtlinge künftig wohl nicht mehr maximal sechs Monate in der Landeserstaufnahmestelle bleiben sollen, sondern bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens. Dadurch werde Ehrenamtlichen die Chance genommen, sich um die Menschen zu kümmern und sie zu betreuen. „Das ist doch reine Spekulation“, sagte Andrea Klöber. „Davon würde ich absehen.“ Auch im Land wisse man genau, wie wichtig Betreuung und Begleitung für eine gelingende Integration sei. Für Bieler war aber klar: Egal wie sich die Flüchtlingssituation im Land entwickle, für Ehrenamtliche gebe es immer etwas zu tun.
Das sieht man auch beim FFF so. Vor allem das Thema Wohnen beschäftigt den Freundeskreis intensiv. Von den rund 700 Flüchtlingen in Feuerbach dürften 351 sofort aus den Unterkünften ausziehen, hat Christa Cheval-Saur vom FFF errechnet. Doch der Wohnungsmangel in Stuttgart sei eklatant. Zudem käme erschwerend noch die Wohnsitzauflage hinzu. „Die baden-württembergische Landesregierung geht ganz strikt vor und beschränkt die Wohnraumsuche auf Stadt- und Landkreise“, sagt Cheval-Saur. „Je länger die Geflüchteten unter ihresgleichen in den engen Unterkünften verharren müssen, desto schwieriger kommen sie in regelmäßigen Austausch mit Nachbarn aus anderen Lebenszusammenhängen.“
Die meisten Flüchtlinge müssten also weiter in Systembauten ausharren. Derzeit stünden dort drei Personen insgesamt 14 Quadratmeter zur Verfügung. Doch das wird sich bald ändern. Wie das baden-württembergische Innenministerium auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt, müssen jedem Flüchtling ab 1. Januar „grundsätzlich eine durchschnittliche Wohn- und Schlaffläche von mindestens sieben Quadratmeter zugrunde gelegt werden“. Eine Übergangsfrist sei nicht vorgesehen. Die Stadt Stuttgart ist vorbereitet. „Wir planen die Umsetzung Zug um Zug“, betont der Leiter des Sozialamtes, Stefan Spatz. „Wenn es irgendwie möglich ist, wollen wir das weitestgehend im Bestand machen.“ Stand heute gebe es deshalb keinen Grund, über neue Systembauten zu spekulieren.
In Stuttgart leben derzeit 7.346 Menschen in Flüchtlingsunterkünften. Die Belegungsquote beträgt aktuell 70 Prozent.
Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart-Feuerbach
Feiern zwischen Bellni und Apfelkuchen
23.04.2017 Elke Rutschmann
Das Buffet beim Frühlingsfest ist ein echter Hingucker gewesen.
Foto: Elke Rutschmann
Beim Frühlingsfest der Flüchtlingsunterkunft an der Krailenshaldenstraße in Stuttgart-Feuerbach begegnen sich Flüchtlinge und Ehrenamtliche. Die Neubürger haben viel erlebt und viel zu erzählen.
Die kleinen Kinder genießen die Sonnenstrahlen an diesem Freitag nach dem Wintereinbruch unter der Woche. Sie drehen auf dem Außengelände der Flüchtlingsunterkunft in der Krailenshaldenstraße mit den Fahrrädern einige Runden. Aber dann siegt doch der Hunger über den Bewegungsdrang. Auf dem Buffet im Hof locken arabische und deutsche Spezialitäten. Die bunte Tafel ist ein echter Hingucker auf dem kleinen Frühlingsfest, das die Geflüchteten zusammen mit ehrenamtlichen Helfern an diesem Nachmittag feiern.
Neue Helfer für Flüchtlingsunterkunft gesucht
StN vom 01. November 2016 – Thorsten Ströbele
Der Freundeskreis Flüchtlinge Feuerbach (FFF) steht vor einer Herausforderung. In wenigen Tagen werden die vier neuen Systembauten an der Krailenshaldenstraße soweit fertig sein, dass dort bis zu 321 Flüchtlinge untergebracht werden können. „Diese Menschen zu betreuen, ist eine Mammut-Aufgabe. Wir stoßen mit unseren derzeitigen Kapazitäten an unsere Grenzen“, betont der FFF-Sprecher Wolf-Dieter Dorn. An der Bubenhalden- und der Wiener Straße kümmere man sich schon um mehr als 400 Flüchtlinge. Man brauche dringend weitere Helfer.
Auf der Suche nach tatkräftiger Unterstützung hat sich der FFF auch zum Burgholzhof begeben. „Das dortige Wohngebiet ist nur etwa 300 Meter Luftlinie von den Unterkünften an der Krailenshaldenstraße entfernt. Wir haben Flugblätter in die Briefkästen geworfen und Kontakt zur Bürgerinitiative Burgholzhof aufgenommen“, sagt Dorn. Tolle Erfahrungen habe er mit dem Sprecher Eberhard Brinkmann gemacht. „Die Initiative hat ihre Unterstützung signalisiert. Sie will helfen.“
Ob sich alle künftig auch engagieren werden, ist nicht sicher
Einige Bewohner vom Burgholzhof seien auch am Dienstag vergangener Woche in der Bürgeretage in Feuerbach zu Gast gewesen, als der FFF zu einer Versammlung eingeladen hatte. „Der Schwerpunkt des Abends lag klar auf der Belegung der Unterkünfte an der Krailenshaldenstraße“, sagt Dorn. Insgesamt seien etwa 50 Leute gekommen. Ob sich alle künftig auch engagieren werden, kann er noch nicht sagen. Die Aussicht auf eine ganze Reihe weiterer Helfer kann Dorn aber noch nicht beruhigen. Das Problem sei nicht nur ein personelles. Der Standort sei ziemlich abgelegen – zu weit weg von der Nachbarschaft, von Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Kindergärten. „Da werden wir uns was einfallen lassen müssen“, betont Dorn.
Zuletzt hatte der FFF damit gerechnet, dass Anfang November die ersten Flüchtlinge an der Krailenshaldenstraße einziehen. Rund 70 Personen sollten allein aus dem Gebäude an der Poppenweiler Straße 29 in Stammheim kommen (wir berichteten). Doch nun musste das Sozialamt umplanen. „Die endgültige Abnahme der Unterkünfte in Feuerbach ist am 8. November“, sagt Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen. Die Kollegen seien davon ausgegangen, dass die Abnahme schon am 20. Oktober anstehe. Da sei aber nur eine Vorbegehung geplant gewesen. „Somit können die Bewohner dort frühestens Anfang Dezember einziehen“, erklärt Marco-Oliver Luz vom Sozialamt. Für die Flüchtlinge aus der Poppenweilerstraße komme ein Umzug an die Krailenshaldenstraße somit nicht mehr in Frage. „Unser Mietvertrag in Stammheim endet am 31. Dezember. Wir haben aber Auflagen erhalten“, sagt Luz. Man müsse unter anderem die Spülen und einige andere Einrichtungsgegenstände entfernen. „Das braucht Zeit. Wir müssen den Umzug also wie geplant zwischen dem 7. und 13. November über die Bühne bringen.“ Man habe aber für alle Bewohner schon eine neue Unterkunft gefunden. Nur eine Familie konnte nicht nahe der Poppenweilerstraße unterkommen. Für alle anderen Familien habe man Plätze an der Kameralamtsstraße in Stammheim sowie an der Gottfried-Keller- und Zazenhäuser Straße in Zuffenhausen organisiert. „Aber grundsätzlich sind alle Bewohner aus der Poppenweiler Straße mit ihrer neuen Bleibe zufrieden.“
Verschiedene Unterkünfte im Stadtgebiet werden in naher Zukunft aufgegeben
Wer nun in der Krailenshaldenstraße eine neue Heimat finden wird, sei noch nicht geklärt, sagt Luz. Es gebe noch verschiedene Unterkünfte im Stadtgebiet, die in naher Zukunft aufgegeben werden, wie zum Beispiel das Haus Martinus an der Olgastraße, die ehemalige Hedwig-Dohm-Schule in Stuttgart-West oder Pavillons an der Fasanenhofschule im Fasanenhof sowie an der Gorch-Fock-Schule in Sillenbuch. Aus diesen Einrichtungen werden wohl die künftigen Bewohner der vier neuen Systembauten in Feuerbach kommen.
Geplante Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart-Feuerbach
Der Hilferuf der Ehrenamtlichen wird ignoriert
Stuttgarter Nachrichten vom 26. Oktober 2015. Georg Friedel und Torsten Ströbele
Im
Spätsommer kommenden Jahres sollen in vier neue Systembauten im Gewerbegebiet an der Krailenshaldenstraße bis zu 321 Flüchtlinge einziehen. Der
Freundeskreis fordert Hilfen. Weiterlesen.
Foto: Stadt Stuttgart
Flüchtlinge in Feuerbach. Ein Stadtbezirk bereitet sich akribisch vor
26. November 2015 -Torsten Ströbele
Auf dem Leitz-Areal sollen vorübergehend bis zu 270 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen werden. Foto: Archiv factum Weise
Zwei Gebäude, bis zu 720 Flüchtlinge: In den kommenden Tagen sollen weitere Flüchtlinge nach Feuerbach kommen. Sie ziehen bis Ende September 2016 auf das Hahn-und-Kolb-Gelände und das Leitz-Areal im Feuerbacher Gewerbegebiet.
In zwei kurzen Sätzen hat die Stadt vor etwa einer Woche per Pressemitteilung verkündet, dass schon Ende November/Anfang Dezember bis zu 720 weitere Flüchtlinge in Feuerbach eine neue Bleibe finden werden. 450 Asylbewerber sollen im ehemaligen Gebäude von Hahn & Kolb an der Borsigstraße von Dezember bis September 2016 untergebracht werden. Zudem ist angedacht, dass im Gebäude H auf dem Leitz-Areal zwischen der Siemens- und der Sieglestraße 270 Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) geschaffen werden. Sie sollen auf dem Gelände von Ende November bis September 2016 wohnen. Viel mehr ist vom Amt für Liegenschaften und Wohnen sowie vom Sozialamt bisher nicht zu erfahren.
Geplante Flüchtlingsunterkunft in Stuttgart-Feuerbach
Der Hilferuf der Ehrenamtlichen wird ignoriert
Stuttgarter Nachrichten vom 26. Oktober 2015. Georg Friedel und Torsten Ströbele
Im Spätsommer kommenden Jahres sollen in vier neue Systembauten im Gewerbegebiet an der Krailenshaldenstraße bis zu 321 Flüchtlinge einziehen.
Wolf Dieter-Dorn macht sich ernsthafte Sorgen. Der Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF) beschrieb in der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirates mit eindrücklichen Worten, was da für eine Herkulesaufgabe auf die rund 50 bis 60 ehrenamtlichen Helfer zukommt, die in dem sehr engagierten Kreis regelmäßig mitarbeiten. Es geht vor allem um die schwierige örtliche Lage und die Größe der Unterkunft an der Krailenshaldenstraße. Sie wird am Rande des Gewerbegebietes Feuerbach-Ost liegen, der Einzug der Flüchtlinge ist im Spätsommer 2016 vorgesehen. Dorn rechnet dort mit gravierenden sozialen Problemen: „Es gibt dort keine Kita, keine Schule, keine Einkaufsmöglichkeiten.“ Die Anbindung an Feuerbach fehle komplett.
Wenn 320 Menschen dort untergebracht werden, werde der eine den anderen nicht mehr kennen, sagt der Sprecher des FFF. Zudem befürchtet er, dass sich durch die Anonymität und Größe „Clanstrukturen“ innerhalb der Unterkunft bilden könnten. Er forderte, dass seitens der Stadt an diesem speziellen Standort nachgebessert werden müsse. Unter anderem schlug er die Einrichtung eines Gemeinschaftsgebäudes, Räume für die Mitarbeiter des Freundeskreises sowie Sportmöglichkeiten für die jungen Männer unter den Flüchtlingen vor. „Dafür möchte ich ein Votum des Bezirksbeirates haben.“
Zusätzliche Räume gefordert
Bündnis 90/Die Grünen, SPD und SÖS-Linke-Plus griffen seine Vorschläge auf und brachten noch während der Sitzung einen Antrag dazu im Gremium ein. Darin wurde gefordert, die Verwaltung solle prüfen, ob die geplanten Aufenthaltsräume an der Krailenshaldenstraße erweitert, Räumlichkeiten für den Freundeskreis geschaffen und angrenzende Gärten in das Betreuungskonzept einbezogen werden können. Zudem wurde beantragt, die personelle Ausstattung für die Betreuung der Flüchtlinge zu verbessern und einen besseren Betreuungsschlüssel als bisher einzuführen. Als fünfter Punkt wurde angeregt, den Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft kostenlose „Ein-Zonen-Tickets“ zur Verfügung zu stellen. Doch trotz dem unmissverständlichen Appell von Dorn an alle Kommunalpolitiker in dem Feuerbacher Gremium, fiel der Antrag am Ende knapp durch. Die Bezirksbeiräte der CDU, FDP und Freien Wähler votierten mit sechs Nein-Stimmen dagegen. Grüne, SPD und SÖS-Linke-Plus kamen auf sechs Ja-Stimmen. Bei einer fehlenden Mehrheit gilt ein Antrag auch bei Stimmengleichheit als abgelehnt.
Auch noch Tage nach dem Beschluss können es die Antragsteller nicht fassen und schütteln den Kopf über das Abstimmungsverhalten einiger ihrer Ratskollegen: „Wie kann man froh sein, dass die Flüchtlinge möglichst weit weg von der Feuerbacher Mitte untergebracht sind, und gleichzeitig Maßnahmen zur Verbesserung der Betreuung ablehnen? Provoziert man damit, so wie es Herr Dorn ausgeführt hat, nicht Konflikte, die dann wieder als Argument gegen die fremde Kultur und die Zuwanderung ins Feld geführt werden“, fragt Roland Saur von SÖS-Linke-Plus. Ihn habe die Ablehnung des Antrags sehr geärgert.
Martin Härer (SPD) ist sehr enttäuscht. Vor allem von Gabriele Heise (FDP) hätte er sich erhofft, dass sie dem Antrag zustimmt, weil sie sogar Mitglied des Lenkungskreises des FFF ist. Ihr sollte bewusst sein, wie sich die Situation vor Ort darstellt, ergänzt Roland Saur. Die Liberale hält den Standort allerdings für nicht ganz so kritisch: „Die Anbindung nach Zuffenhausen ist gut, und auch nach Feuerbach kommt man mit der Bahn, wenn man einmal umsteigt.“ Es gebe an diesem Standort sicherlich Vor- und Nachteile, die sie auch gerne besprochen hätte – aber ohne Publikum. „Dann kann man offen diskutieren, ohne, dass jemand in der Öffentlichkeit politisches Kapital daraus schlagen möchte.“ Ein bis zwei Punkte des Antrages ihrer Kollegen könne sie auch durchaus unterstützen. Andere wiederum seien Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die von einer Ungleichbehandlung beziehungsweise einer Bevorzugung von Flüchtlingen sprechen.
CDU, FDP und Freie Wähler lehnten den Antrag ab
Auch Jochen Heidenwag (Freie Wähler) lehnte den Antrag der Grünen, SPD und von SÖS-Linke-Plus ab. Er sei ihm in ein bis zwei Punkten zu weit gegangen. „Wir machen sehr viel für die Flüchtlinge und sollten die mittellosen Menschen, die hier leben, nicht vergessen“, sagt Heidenwag.
Markus Bott (CDU) sieht das ähnlich: „Man kann viel fordern, aber es muss auch jemand bezahlen. Ich finde, dass es ausreichend ist, was die Stadt derzeit macht.“ Er habe den Antrag so interpretiert, dass Wolf-Dieter Dorn, die Grünen, SPD und SÖS-Linke-Plus den Pächtern rund um die neue Flüchtlingsunterkunft ihre Gärten wegnehmen möchte. „Das ist etwas zu heftig“, sagt Markus Bott. Zudem sei der Standort Krailenshaldenstraße ja nicht „total ab vom Schuss“. Wenn man beispielsweise die Weinbergstraße hochlaufe, sei man schnell am Burgholzhof. Da gebe es dann auch Spielplätze.
Wolf-Dieter Dorn ist vom Abstimmungsergebnis „nicht begeistert“. CDU und FDP müssten sich auch vor Augen führen, was das für die Kundschaft und den Umsatz der umliegenden Firmen bedeuten könnte, wenn sich die Kinder aus den Flüchtlingsfamilien aus Langeweile die Nasen an den Scheiben der Autohäuser platt drücken werden. „Das ist von den Parteien einfach sehr kurz gedacht. Der Stadt zu signalisieren, dass alles gut ist, ist falsch. Dann braucht man sich später nicht wundern, wenn der Bezirk negativ in die Schlagzeilen gerät.“ Dorn betont, dass im Vorfeld mit allen Parteien und Fraktionen gesprochen wurde. Nur mit der CDU kam kein Gespräch zustande. Etwa eine Woche vor der Bezirksbeiratssitzung habe Dorn eine E-Mail an Markus Bott geschrieben, aber leider keine Antwort erhalten. Der Christdemokrat sagt, dass er nicht in Stuttgart gewesen sei. Jemand anders aus der Fraktion habe aber mit Dorn auch nicht gesprochen.
Trotz des Rückschlages stecken die Mitglieder des FFF den Kopf nicht in den Sand. „Mit der Ablehnung des Antrages ist noch nichts verbaut. Wir vom Freundeskreis werden weiterhin für die Verbesserungen eintreten“, sagt Bezirksbeirat Roland Saur.
Der städtischen Beschlussvorlage zur Flüchtlingsunterbringung (Tranche 5) stimmte der Bezirksbeirat bei 7 Ja-Stimmen und 5 Enthaltungen zu. Die Krailenshaldenstraße mit 321 Plätzen wird darin neben fünf weiteren Standorten vorgeschlagen. Zuvor hatte die CDU beantragt, die Vorlage lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Diesen Antrag lehnte der Bezirksbeirat bei Stimmengleichheit ab.
Kommentar: Die Unterstützung wird verweigert
Torsten Ströbele
Die Fronten im Bezirksbeirat sind verhärtet. Das ist vor allem dann zu spüren, wenn es um das Thema Flüchtlinge geht – wie zum Beispiel in der jüngsten Sitzung des Gremiums. Die Grünen, die SPD und SÖS-Linke-Plus stellten einen Antrag. Freie Wähler, FDP und CDU lehnten ihn ab. Hinter vorgehaltener Hand gibt der eine oder andere sogar zu, was offensichtlich ist: Hier geht es um Parteipolitik. Die offizielle Version lautet: Nein, natürlich geht es immer nur um den Inhalt eines Antrages. Nur: In diesem Fall ist kein einziger Bezirksbeirat zu finden, der alle fünf Punkte des Antrages inhaltlich in Frage stellt. Warum ist dann aber niemand auf die Idee gekommen, die Punkte einzeln abstimmen zu lassen? Auf Nachfrage sind die wenigsten Lokalpolitiker um eine Ausrede verlegen: Der Tagesordnungspunkt habe eh schon anderthalb Stunden gedauert. Oder: Der Antrag hätte lieber hinter verschlossenen Türen diskutiert werden sollen. Oder: Mit mir hat vorher aber niemand über den Antrag gesprochen. Sind das Argumente, die darauf schließen lassen, dass es um den Inhalt ging? Wohl kaum!
Die CDU stieß sich speziell an dem Punkt „Die Verwaltung prüft, ob angrenzende Gärten in das Betreuungskonzept mit einbezogen werden können.“ Da ginge es um Enteignung. Interessante Interpretation. Bei allen fünf Punkten stand zunächst einmal der Prüfauftrag im Vordergrund. Es wäre also überhaupt kein Problem gewesen, dem Antrag zuzustimmen und sich erst einmal die Ergebnisse anzuhören. Vielleicht gibt es ja Lösungen, die kein Geld kosten? Wer weiß? Aber wer schon im Vorfeld mit dem Argument kommt, dass für die Flüchtlinge genug Geld ausgegeben wird, will sich eigentlich überhaupt nicht mit der Situation an der Krailenshaldenstraße auseinandersetzen. Die ehrenamtlichen Helfer, ohne die eine Integration der Flüchtlinge nur sehr schwer möglich wäre, schlagen Alarm, werden abgebügelt und nicht ernst genommen.
Die Stadt mache schon genug, heißt es. Fakt ist, dass sich aktuell bei einem Betreuungsschlüssel von 1:136 noch nicht einmal drei Sozialarbeiter Vollzeit um die 320 Bewohner kümmern würden. Zudem wird ohne die Mitglieder des Freundeskreises von Freitagmittag bis Montagmorgen überhaupt niemand vor Ort sein, der sich kümmert. Wer all das weiß und denkt, dass unter diesen Voraussetzungen und an diesem Standort keine Probleme entstehen, muss sich auch nicht wundern, wenn die Situation an der Krailenshaldenstraße eskaliert. Wäre die Abstimmung auch so ausgefallen, wenn es sich um vier Systembauten am Hattenbühl, im Gebiet Schelmenäcker-Süd oder in einem anderen Wohngebiet in Feuerbach gehandelt hätte?
Der Konflikt um den Bau von Flüchtlingsunterkünften in Stuttgart-Feuerbach
Zur Studie am Institut für
Kommunikationswissenschaft, insbesondere Kommunikationstheorie
Univrsität Hohenheim
Professor
Dr. Frank Brettschneider
Fruhwirthstraße 46
70599 Stuttgart